
draéyu fand Rahelas dummen Namen für das Pferd nicht sonderlich amüsant. Doch scheute er sich nicht, noch eine Schippe drauf zu legen. »Ach sag bloß. Wär mir ja gar nicht aufgefallen, dass der Gaul schwarz ist. Ich hatte schon geglaubt, dass der Schwanz des Hengstes dich an den Menai erinnerte.« Er verzog ein wenig sein Gesicht zu einer Grimasse, doch war er eigentlich gar nicht wirklich sauer. Im Gegenteil. Rahelas Spaß war, wenn man es nüchtern betrachtete, durchaus gelungen. Vielleicht machte ihn einfach nur die Stadt nervös. All die neugierigen Blicke, die Rahela und ihren Raben anstarrten. Er fühlte regelrecht wie die Menschen ihm durch die Kapuze blickten und dann irgendwann sein Bernstein farbenes Auge erkennen würden. Und dann hieße es rennen. Rennen so schnell er konnte. »Ach sei nicht so.«, beschwichtigte ihn Rahela und munterte ihn mit einem gut gemeinten Spruch auf. Doch Adraéyu war gerade nicht in der Stimmung für derartige Floskeln. Nachdem sie ihn geküsst hatte schlug sie einen ernst gemeinten Namen vor. »Rhôak also. Also entweder Sonne oder Pferd.« Rahela blickte Adraéyu ein wenig überrascht an. Ja sie hatte ihm nie gesagt, was Asis bedeutete. Asis selbst hatte es ihm auch nicht gesagt. Doch war er vor vielen Jahren in das Land der Menai gekommen, und hatte einige Wörter aufgeschnappt. Er lächelte sie nur wissend und geheimnisvoll an. Sollte sie ruhig glauben, er könnte die Sprache der schwarzen Teufel aus dem Süden sprechen.
Als Rahela seine Frage nach einem Schnaps bejahend beantwortet hatte, da nickte er. Sie schlenderten, auf der Suche nach einer Taverne oder einem Gasthaus durch die Straßen, bis sie schließlich bei einem einkehrten. Nachdem sie sich das Zimmer, welches Adraéyu für reichlich überteuert hielt, angemietet hatten, setzten sie sich noch im Schankraum nahe der Ausschank nieder und bestellten jeder einen Schnaps. »Das macht einen Heller.« »Einen Heller für zwei winzige Becherlein Schnaps?«, begehrte Adraéyu ungläubig auf. »Ja, einen halben Heller, pro Becher.«, antwortete der Wirt monoton und hielt noch die Gläser in der Hand. Er wog ab, und beäugelte Rahela und Adraéyu misstrauisch. Kurzerhand entschied er, erst dann die Gläser auf den Tisch zu stellen, wenn diese seltsamen Gestalten das entsprechende Geld auf den Tisch gelegt hätten. »Ich zahle einen halben Heller für beide!«, schlug Adraéyu dreist vor, und knallte sogleich den halben Heller, den er noch übrig hatte, als er die andere Hälfte abgebrochen und dem Stallburschen gegeben hatte, auf den Tisch. Der Wirt runzelte zunächst die Stirn und blickte ein wenig säuerlich drein. Doch dann stellte er die Gläser ab und nahm das Stück Metall in die Hand. Er hielt es sich knapp vor die Nase und beäugelte es kritisch. Dann biss er prüfend hinein und kurz darauf nickte er zufrieden. »Also gut. Aber nur weil ihr schon ein Zimmer angemietet habt.« Vielleicht war es Glück gewesen, dass sonst niemand im Raum gewesen war. Vor anderen, zahlenden Gästen wäre der Wirt sicher nicht darauf eingegangen. Doch Adraéyu war es recht. Einen halben Heller gespart, das war schon viel wert. Als der Wirt außer Reichweite war, um Adraéyus oder Rahelas flüsternde Stimmen zu vernehmen, da rutschte er an Rahela heran und raunte ihr etwas zu. »Wahrscheinlich is der Schnaps eh gestreckt, und nicht einmal einen halben Heller wert.«, doch war das Adraéyu nun gleich. Er nahm den Becher zur Hand und hielt es Rahela hin, so dass sie mit dem ihren anstoßen konnte. Als die zinnernen Becher klirrend zusammenschlugen, schwappte die klare Flüssigkeit darin herum. Und kurz darauf setzte sich Adraéyu den Becher auf die Lippen an. »Auf eine gute Reise.«, murmelte er und stürzte sogleich den Inhalt herunter. Der Schnaps brannte fürchterlich. Und er schmeckte widerlich. Doch kurz darauf stellte sich die typische, wohlige Wärme ein, welche dem Schnapsgenuss unweigerlich folgte. Er nickte und klopfte sich ein Mal kurz auf die Brust. »Besser als erwartet.«, nickte der Raéyun anerkennend. Doch mehr als einen halben Heller würde er dennoch nicht dafür zahlen. Nicht einmal, wenn die Becher randvoll gefüllt worden wären. Nunja, dann vielleicht doch etwas mehr.
Als die beiden schließlich auf dem Zimmer waren und nebeneinander auf dem stechenden Stroh lagen, da rutschten sie nah aneinander. Das Bett ließ ohnehin nichts anderes zu. Es war ein schmales Bett. Für einen Moment dachte Adraéyu daran seine Hände über Rahelas Leib wandern zu lassen und ihr die Röcke hoch zu schieben. Doch das Bett war so unbequem, und das Stroh so stechend, dass es sicherlich nicht sehr angenehm gewesen wäre, auf diesem Bett das Lager zu teilen. Sie sprachen über das Wasser und die Zustände in den Städten, und auch über das Vagabundendasein. »Ich finde es lustig ein Streuner oder Vagabund zu sein.«, schmunzelte Rahela und legte ihren Kopf auf seine Schulter, während sie ihre Hand auf seine Brust legte. »Wir werden sehen wie lustig du es findest, wenn wir dem Herzog vorgeführt werden und wegen Landstreicherei in den Kerker geworfen werden. Und wenn sie erkennen, dass ich ein Raéyun bin, dann werden sie mich am nächsten Galgen aufknüpfen, und wenn es ein alter, knorriger und windschiefer Baum irgendwo hinter dem Abort ist. Lieber noch vor einem dummen Bauernmob mit Fackeln, Forken und Sensen weglaufen, als vor den Herzog geführt zu werden.« Rahela sah ihn ein wenig eindringlich an, als ob es ihr schwer fiel seinen Worten Glauben zu schenken. »Warum sollte es verwerflich sein, auf der weiten Flur zu streunen?« »Streuner und Vagabunden sind doch im Volksmund nichts anderes als Riemenstecher und Beutelschneider. Mittellose Diebe, Gängler und verarmtes fahrendes Volk. Nicht besser als die Zigeuner.« Adraéyu klang schon ein wenig müde. »Was haben die Menschen gegen die Raéyun? Ihr seid doch auch nicht anders als wir, ihr seid auch Menschen, bis auf die Augenfarbe seid ihr nicht von allen anderen zu unterscheiden, was macht Euch so verhasst? Erzähl mir davon …« Adraéyus Miene verdunkelte sich ein wenig. »Ja, du hast natürlich Recht. Ich bin nur ein Mensch, wie auch du. Doch auch du bist kein Mensch wie sie hier.« Bei diesen Worten machte er eine ausholende Geste, um all die Menschen, die sie umgaben, auch wenn gerade niemand im Raum zugegen war, einzuschließen. »Kannst du dir die Frage nicht selbst sehr gut beantworten? Wie hätte man im Clan wohl auf dich reagiert, wenn sie erfahren hätten, dass du mehr als nur Blutrituale und Runenwerfen beherrschst? Wenn sie erfahren hätten, dass ihre Hebamme und Kräuterheilerin eine wahre Schamanin war? Eine Schamanin die die Geister rufen konnte, und wenn sie es wollen würde, den Geist eines Mannes zu lenken imstande war, als ob er eine Marionette war?« Adraéyu sah Rahela an um ihre Blicke zu studieren, bevor er fortfuhr. »Du hast jetzt schon am Rand des Dorfes gewohnt, wie eine Aussätzige, die man zwar duldete, aber dennoch fürchtete. Und nun kannst du dir vielleicht vorstellen wie es bei den Menschen in den Landen der gefallenen Reiche geht. Nur können sie unsereins nicht einfach an den Rand des Dorfes verbannen. Nein, sie wollen uns gleich tot sehen. Dich wie mich. Also hüte dich deine Macht offen zu zeigen. Die Menschen fürchten alles was fremdartig ist und dem sie nicht beikommen können. Wie könnten sie auch einem Weib wie dir das Wasser reichen? Oder meiner Musik widerstehen, wenn sie nur ihre Fäuste und ihre Schwänze haben, um sich die eigene Frau untertan zu machen.« Rahela nickte nach Adraéyus Worten, und bald darauf nickte sie dazu auch noch ein. Und auch Adraéyu überkam recht bald die Müdigkeit. »Ah, die Tür.«, schreckte er noch hoch. Er kämpfte sich aus dem Bett und schlurfte zur Tür. Er hatte sich noch an die mahnenden Worte des Wirts erinnert, die Tür von innen zu verriegeln. Er hatte kein Interesse daran, am nächsten Morgen mit durchtrennter Kehle zu erwachen. Er grinste dämlich als er sich dieses bildlich vorstellte. Als er schließlich die Tür von innen verriegelt hatte, und sowohl das Schloss versperrt hatte, als auch den Riegel ins Schloss geworfen hatte, legte er sich wieder neben Rahela. Sie war schon tief in dem Reich der Träume. Er lag noch eine Weile mit offenen Augen da und starrte die schlafende Rahela an. In all der Zeit in den wilden Landen hatten sie sehr selten im selben Bett geschlafen und er kam nicht umhin ihr beim Schlafen zuzusehen. Und unweigerlich rückte er ihr immer näher, und küsste sie sanft auf die Lippen. Und bald schien sie seinen Kuss, schlafend, zu erwidern. [18]Und seine Hände strichen über ihren üppigen Busen, und rutschten unter ihr Kleid um den Busen sanft zu drücken. Und als sich schließlich sein Gemächt in der Hose regte, da schob er nun doch ihre Röcke hoch und strich ihr liebevoll über die Scham. Und wie willenlos schien Rahela ihre Beine zu öffnen um seinen Händen mehr Platz zu verschaffen …[/18]
Am nächsten Morgen kämpfte sich Adraéyu wie gerädert aus dem harten Bett. Er hatte schrecklich geschlafen. Da war sogar der moosbewachsene Boden in den wilden Landen besser gewesen. »Wie hast du geschlafen?«, fragte er mit einem sperrangelweiten Gähnen auf den Lippen. Er nahm seinen Lautenkasten zur Hand und auch seinen Langbogen, den er als Wanderstab benutzte. Die Sehne war nicht auf den Bogen aufgezogen, sondern fein säuberlich zusammengerollt in der kleinen, ledernen Tasche, welche er am Gürtel trug, verstaut. Als er sich nun auch die große, lederne Tasche umgehängt hatte, öffnete er sogleich den Riegel und entsperrte auch das Schloss. Als auch Rahela fertig war, und sich aus dem Bett gekämpft hatte häkelte sie sogleich ihre Finger in die seinen ein, und sie gingen gemeinsam aus dem Zimmer. Auf dem Weg nach unten liefen sie dem Wirt in die Arme, welcher sie sogleich mit einem skeptischen Blick bedachte. Sein Blick fiel sogleich auf ihre, einander zusammen verschlungenen Finger und sogleich hob er eine fragende Augenbraue. Er war so verwirrt, dass er nicht einmal das goldfarbene Auge des Raéyun bemerkte, welcher in seiner morgendlichen Müdigkeit völlig vergessen hatte sich die Kapuze ins Gesicht zu ziehen. »Bruder und Schwester also.«, murmelte der Wirt und verzog leicht angewidert die Mundwinkel. »Geht mir bloß aus den Augen, ihr wildes Inzuchtpack.« Sogleich trat er zwischen den beiden hindurch, und zwang sie so, sich voneinander zu lösen. Als der Wirt sie dann, leicht angerempelt, stehen gelassen hatte, trat Rahela wieder einen Schritt an Adraéyu heran, und schob ihm sogleich die Kapuze über den Kopf. Erst da fiel ihm ein, was er vergessen hatte. »Danke.«, murmelte er leise »Wir sollten, sofern wir die kommende Nacht noch in dieser Stadt verweilen, uns lieber eine andere Herberge zum übernachten suchen.«, schlug Adraéyu ein wenig betreten vor.
Als sie aus dem Gasthaus ins Freie traten, wurden sie von schalem Sonnenschein begrüßt. Eine dicke Wolke hing am Himmel und verdeckte größtenteils die Sonne. Doch es hatte zum Glück noch nicht geregnet. »Wir sollten uns schleunigst Überschuhe kaufen, bevor der kommende Regen die Straßen in eine widerwärtige Jauchegrube verwandelt.« Gemeinsam gingen sie über den Platz, welcher direkt vor dem Gasthaus lag. Es schien der Brunnenplatz zu sein. In der Mitte des Platzes stand sogar ein Dorfbrunnen. Möglicherweise war das Wasser aus diesem Brunnen sogar genießbar, da kein Abort in der Nähe zu sein schien. Doch Adraéyu würde es vorziehen, lieber etwas Bier zu trinken, bevor er das Wasser aus der Stadt trinken würde. Zum Glück hatte er noch seinen Wasserschlauch, den sie erst bei der Quelle des Chaburs aufgefüllt hatten, als sie das Gebiet des Meagar-Clans hinter sich gelassen hatten. Die wilden Menschen hatten sie glücklicherweise unbehelligt passieren lassen. Rahelas schamanischer Ruf war ihr bis in den Süden vorausgeeilt, und die Männer und Frauen hatten ihr viel Ehrerbietung entgegen gebracht gehabt. Ein wenig wehmütig dachte Adraéyu an die wilden Lande, als er den Sumpf und den menschlichen Abfall vor sich sah. Er bot Rahela den Wasserschlauch an, damit sie ihre Lippen benetzen konnte.
Sie irrten mehr als dass sie sich in den verwinkelten Gassen zurechtfanden, durch die Straßen und Gassen der Stadt. Unterwegs kauften sie sich für zwei Pfennige eine sogenannte Córalay-Schnecke. Die Spezialität des Landes. Sie schmeckte auch wirklich nicht schlecht. Auch wenn der Bäcker ein wenig dreckig gewirkt hatte. Adraéyu hoffte, er hätte nicht in den Teig gerotzt oder sich wenigstens nach dem Pissen die Hände gewaschen, bevor er den Teig geknetet hatte. Und als sie schließlich auf dem Marktplatz angekommen waren, da wurden sie von den Gerüchen beinahe überwältigt. Es stank und duftete zugleich. Hier und da lagen Unrat und Abfälle, und nicht weit daneben, standen Stände mit köstlichen Backwaren, oder mit frischem Fleisch, oder vielleicht auch nicht mehr ganz so frischem Fleisch. Adraéyu und Rahela schlenderten so über den Platz, stets Ausschau nach einem Händler aushaltend, der womöglich Interesse an einem solchen Alambic haben könnte, den sie schließlich veräußern wollten. Auf dem Weg, über den Platz, sahen sie eine dichte Menschentraube. Mehrere Männer und Frauen drängten sich vor einem Stand zusammen und riefen alle kreuz und quer durcheinander. Ein seltsames Brummen oder Grollen erfüllte immer wieder die Luft, und auch Hundegebell oder viel mehr das Heulen der Hunde war zu vernehmen. »Was da wohl los ist?«, fragte Adraéyu mehr sich selbst als Rahela und zog sie sogleich mitten in die Menschenmasse. »Halt deine Geldbörse fest. Sonst ist sie bald abgeschnitten ...«, ermahnte Adraéyu, obwohl er genau wusste, dass Rahela gar keine besaß. »… äh, oder eben deine Dolche. Besonders der eine ist eine Menge wert!«, raunte er ihr leise zu, damit es niemand hören konnte. Er hielt es ebenso. Die Laute war schon sehr sperrig, und war nicht einfach zu stehlen. Seine Rolle mit den Pergamenten war gut gesichert. Und das Messer, welches er hinten am Gürtel trug, war kaum mehr als das Material wert. Doch er hatte immerhin eine Geldbörse. Wenngleich sie auch nicht sonderlich gefüllt war. Und Rahela hatte noch den gläsernen Alambic, der allein schon fast so viel wert war, dass selbst ehrbare Diebe nicht davor zurückschrecken würden, ihnen beiden die Gurgel durch zu schneiden, nur um an das Ding zu kommen. Doch Rahela hatte ihn gut in ihrer Tasche verstaut.
Schließlich hatten sie sich bis in die erste Reihe vorgekämpft, und staunten ein wenig, als sie das dargebotene Schauspiel sahen. »Tretet näher! Verehrte Herren, und Maiden!«, rief ein bunt gekleideter Mann mit einem geschwungenen Schnauzbart. »Wer wagt es noch? Wer will nochmal?«, rief er herausfordernd. »Hier ich!«, rief einer der Anwesenden Männer und trat vor. Adraéyu fixierte den Mann und musterte ihn ein wenig. Er war ein Hänfling. Dünn und schlaksig. An seiner Leine hielt er einen großen Wolfshund, dessen gelbe Augen unheimlich in die Menge starrten. Er hechelte, und ließ die Zunge aus dem Maul hängen. Seine Lefzen tropften von Sabber und Geifer, doch ansonsten war es ein wirklich stattliches Tier. Und da erst, fiel Adraéyu der gewaltige Bär auf, welcher mit einer mächtigen Kette um den Hals an einem dicken Pfahl angebunden war, welcher tief in den lehmigen Boden getrieben worden war. »Eine Bärenhatz.«, murmelte Adraéyu ein wenig enttäuscht. Rahela rutschte ein wenig näher an ihn heran. »Was ist das?«, fragte sie neugierig. »Ach, nichts Besonderes. Ein Unterhaltungsspiel für die Städter. Und auch ein wenig Glücksspiel. Sieh einfach zu.«
Der dünne Mann trat an den bunt gekleideten Ausrufer heran und steckte ihm etwas in die geöffnete Hand. »Sein Einsatz.«, kommentierte Adraéyu, was vor ihren Augen geschah. »Sein Einsatz? Worauf setzt er?«, fragte Rahela neugierig. »Warts ab.«, antwortete Adraéyu gelangweilt. Dann ging der schlaksige Mann in die Hocke und redete auf seinen Hund ein. Er packte ihn immer wieder am Kragen und zog seinen Kopf zu sich, um des Hundes Aufmerksamkeit zu gewinnen. Kurz darauf trat er einige Schritte von dem Hund zurück und deutete auf den Bär »Fass!«, schrie er und sogleich stürzte sich der Hund auf den Bären. Er sprang, und der Bär trottete, mit einem gequälten Ausdruck auf dem Gesicht zur Seite. Vielleicht bildete sich Adraéyu diesen Blick aber auch nur ein. Der Bär richtete sich auf, und wischte mit seiner Pranke den Hund regelrecht aus der Luft. Der Hund heulte kurz auf, doch rappelte er sich wieder auf die Beine und setzte schon zum nächsten Angriff an. Der Hund ließ nicht locker und verbiss sich kurz darauf im Bein des Bären. Doch dieser brummte nur und biss nach dem Hund. Lediglich die Kette rettete den Hund davor, nicht von den Zähnen erwischt zu werden. Wieder schlug der Bär nach dem Hund und dieses Mal blieb der Hund am Rand der Zuschauermenge liegen. Der dünne Mann rannte sogleich zu seinem Hund, um nach diesem zu sehen. Doch der Kampf war vorbei. »Noch ein Freiwilliger?«, rief der Ansager, und beendete damit den Kampf. Wer wollte konnte nun mit seinem Hund antreten. »Das wars?«, fragte Rahela. »Ja. Hätte der Bär aufgeheult, und nicht nur geknurrt, hätte der Mann den doppelten Einsatz gewonnen.«, murmelte Adraéyu. »So hat er wohl einen halben Tagelohn verloren. Was seine Frau wohl dazu sagen wird?« Adraéyu konnte sich ein selbstgefälliges Grinsen nicht verkneifen. Rahela schien gefasster zu sein, als er erwartet hatte. Er hatte Bestürzung oder fassungsloses Kopfschütteln erwartet. »Lass uns weitergehen.«, murmelte Adraéyu.
Als sie schließlich einen Alchemisten fanden, zeigte Rahela diesem sogleich den Alambic, um ihn zu veräußern. Adraéyu fand, es war ungemein von Vorteil, wenn dieser glauben würde, Rahela aufgrund ihrer Herkunft leicht über den Tisch ziehen zu können. Dann könnte Adraéyu ein leises Lied pfeifen, und die Verhandlungen zu ihren Gunsten lenken. Doch Rahela ließ sich von ihren Gefühlen leiten und herrschte den Mann sogleich an. Doch der Alchemist ließ sich davon kaum beeindrucken. Vielmehr sah er Rahela mit eindringlichen Augen an. »Sind alle in den wilden Landen so aufbrausend?«, fragte er neckisch. »Die Wilden, welche hier leben, sind nicht mehr gar so wild. Vielleicht haben sie ihr Feuer verloren? Oder seid ihr einfach eine besonders feurige Frau aus dem Norden?« Dem Alchemist schien es zu gefallen, Rahela zu provozieren. »Hör zu.«, ging Adraéyu dazwischen. Der Alchemist verzog unwillig seine Mundwinkel, als Adraéyu sich dazwischen schaltete. Ob es an seinem Einschreiten, oder an der Art wie er ihn angeredet hatte, und dem Mangel an Respekt lag, war nun schwer zu sagen. »Was willst du dafür zahlen? Wir haben keine Zeit für diesen Unsinn.«, murrte Adraéyu. Der Alchemist senkte prüfend seinen Kopf um den Alambic genauer zu untersuchen. »Naja. Das beste Stück ist er ja nicht. Das Glas hat Einschlüsse und Blasen. Einige Kratzer sind auch auf dem Glas. Und es scheint, als ob er schon benutzt worden wäre.« Adraéyu schwieg. Natürlich wollte der Alchemist den Preis drücken. Wahrscheinlich stimmte nichts von alldem, was er sagte, mit Ausnahme der Annahme, dass der Alambic bereits benutzt worden war. Denn das wusste Adraéyu selbst. »Wie viel?«, fragte Adraéyu daraufhin nochmals geduldig. »Zwei Goldstücke.«, hob der Alchemist an, und es schien ihm schwer das Glitzern in seinen Augen zu verbergen. Doch Adraéyu spielte das Spiel mit. Er fühlte, wie ihn plötzlich eine Welle der Empörung und des Aufbegehrens überkam. Rahela war kurz davor etwas zu sagen. Da nahm er sie schnell an der Hand, und drückte sanft ihre Hand, in der Hoffnung, sie würde schweigen. »Hälst du uns für Narren, alter Mann? Das Ding ist locker zehn Goldstücke wert.« Da lachte der Alchemist herzhaft. »Ha, nicht einmal, wenn er neu wäre.« Adraéyu verengte seine Augen zu zwei misstrauischen Schlitzen. Vielleicht hatte der letzte Alchemist gelogen? Nein, er wusste wie viel Glas kostete. Die Scheibe, die Adraéyu für sein Haus hatte anfertigen lassen wollen, hätte schon vier Goldstücke gekostet. Da war der Alambic weit wertvoller, aufgrund seiner aufwändigen Verarbeitung. Vielleicht waren die Preise in den wilden Landen höher, als in den gefallenen Reichen, doch Glas war allerorts wertvoll. »Dann vergesst es.«, zischte Adraéyu und legte sogleich seinen Umhang über den Mantel, um ihn vor den gierigen Blicken des Alchemisten zu verbergen. »Die Alten sollen euch holen.«, murrte der Alchemist. »Also gut, ich gebe euch fünf Goldstücke.«, bot er entgegenkommend an. »Fünf Goldmünzen und vier Heller.« verlangte Adraéyu und der Alchemist knirschte unwillig mit den Zähnen. Doch seine Gier und seine Gedanken verrieten, dass er das Ding unbedingt haben wollte. Es war mehr wert, das war klar. »Also gut.«, murrte der Alte unwirsch und kramte das Geld sogleich aus seinem Beutel. Rahela konnte ihre Freude kaum verbergen, als sie die fünf schönen, dünnen und vor allen Dingen goldenen Münzen in der Hand des alten erblicke. Dagegen waren die vier silbernen Münzen schnöder Mammon und kaum eines Blickes würdig. Adraéyu schnappte das Geld und verstaute es sogleich in seinem Beutel. Doch eine der Goldmünzen behielt er in den Händen, während er den verschlossenen Geldbeutel sogleich unter sein Hemd in die Bundhose stopfte. An diesem Ort war der Beutel wenigstens für kurze Zeit sicher. Kein Beutelschneider, würde ihm in die Hose greifen, um das Geld zu stehlen, nicht ohne ihn vorher zu töten. Als das erledigt war, stellte Rahela den Alambic, sichtlich erleichtert das schwere Ding endlich los zu sein, auf den Tisch des Alchemisten. «Gehabt euch wohl.« Sie deutete eine leichte Verbeugung an, und strafte damit den Alchemisten einen Narren. Die Wilde, die sich besser zu benehmen wusste, als manch ein zivilisierter Mensch.
Adraéyu hatte auf dem Weg über den Markt einen Stand, nahe einer dunklen Gasse gesehen. Das war der Grund, warum er die eine Goldmünze in den Händen behalten hatte. Als sie sich dem Stand näherten, standen auch hier einige Menschen um den Stand herum. Nicht so viele, wie bei der Bärenhatz, aber genug, um das Interesse vorbeigehender Menschen zu wecken. »Kommt näher! Wer hat ein gutes Auge? Wer die Kugel findet, bekommt den doppelten Einsatz!«, rief der Mann. Es war ein kleiner Mann, mit einer windigen Hakennase, und engen, Rattenaugen. Er sah verschlagen und durchtrieben aus. Zweifellsohne betrog er die Leute mit dem Hütchenspiel. Vor ihm lagen drei Nussschalen und er bewegte sie gerade mit einer unüberschaubaren Geschwindigkeit. »Na, wo ist die Kugel?«, rief er in die Menge, doch niemand trat vor. Da hob er die mittlere Nussschale an und offenbarte die kleine Holzperle, welche darunter lag. Kurz darauf, stellte er die Schale wieder über die Perle und ließ erneut die Kugel unter den sogenannten Hütchen tanzen. »Wer hat ein gutes Auge?« Adraéyu versuchte der Schale, unter welcher er die Nuss wähnte zu folgen, und als der Mann endete, und ein mutiger Spieler vortrat, und auf die Schale auf der rechten Seite deutete, da war sich Adraéyu auch ziemlich sicher gewesen, dass die Kugel sich dort befinden würde. Der Mitspieler legte einen ganzen Heller vor die Nussschale, doch als der Mann die Nussschale ein wenig anhob, befand sich keine Kugel darunter. Betreten verließ der Verlierer die Menge und der Spieler steckte die Münze sogleich ein. Und schon wieder ging es von vorne los. Dieses Mal konzentrierte sich Adraéyu besser, und als der Mann fertig damit war, die Nussschalen zu bewegen, da trat sofort ein weiterer Mitspieler hervor und legte ebenfalls einen Heller in die Mitte. Dieses Mal befand sich die Kugel darunter, und der Spieler hinter dem Tisch zog murrend eben jenen Heller aus der Tasche, den er zuvor gewonnen hatte. »Wie gewonnen, so zerronnen.«, murmelte Rahela. Doch Adraéyu war sich da nicht ganz so sicher. Er hatte von diesen Spielen gehört. In der Menge standen immer ein oder zwei Männer, die zu dem Spieler gehörten, um der Menge vorzugaukeln, dass man leichtes Geld machen konnte. Adraéyu beobachtete die Szenerie eine Weile. Die meisten verloren. Doch hin und wieder, wenn einige Menschen sich von der Menge abwandten, gewann wieder einer und weckten so neues Interesse. »Eine abgekartete Sache.«, flüsterte Adraéyu. Doch weckten diese Betrüger den Kampfgeist Adraéyus. Er war kein Kämpfer. In den wilden Landen hielt man ihn für nutzlos. Doch war er ein Mime. Er war ein Schauspieler und er konnte sehr überzeugend lügen. Er konzentrierte sich auf die Gefühle der Menge, und auch auf die Gefühle des Spielers. Und auch wenn er bei den meisten Menschen Neugierte und Verblüffung spürte, da fühlte er bei dem Spieler nur einen gewissen Grad an Schadenfreude. Er wusste, dass er unbesiegbar war. Er war so geschickt. Es musste irgend einen Trick geben. Irgend einen verwinkelten Betrug, der nicht zu entdecken war. Doch Adraéyu hatte einen Plan, wie er den Halunken ein Schnippchen schlagen konnte. Er hatte in der Menge drei Menschen entdeckt, die weder Enttäuschung, noch Neugierde und schon gar keine Überraschung fühlten, wenn die Kugel nicht an ihrem Platz war, oder eben doch an dem Platz war, worauf vermeintliche Mitspieler tippten. Und als eben ein solcher Mann aus der Reihe trat, um bei dem Spiel mitzumischen, da trat auch Adraéyu vor. Er wartete vorsichtig ab, bis der Mann seinen Heller vor der Nussschale platziert hatte. Und kaum war das geschehen, legte er sofort seine Goldmünze dazu. »Ich steige ein. Alles oder nichts.« Sofort ging ein Raunen durch die Menge. Eine ganze Goldmünze! Das sorgte für Aufregung. Doch auch Rahela schien aufgeregt. Sie schien vor Wut zu kochen. Wie konnte er nur das Geld verspielen, wo er doch selbst gesagt hatte, es war eine Lüge. Doch er lächelte nur in sich hinein. Er drückte seinen Finger auf die Nussschale, damit der Spieler nicht noch die Kugel darunter herausfingern konnte, wenn er sie anhob und hob die Schale selbst an. Und tatsächlich. Unter der Schale lag die kleine hölzerne Perle. Überraschung und hier und da sogar ein Funken der Freude durchging die Menschen. Allen voran Rahela. Doch der Spieler funkelte Adraéyu nur finster an, und auch der Mann, welcher neben ihm stand. Eigentlich hätte er sich doch freuen müssen. Immerhin hatte er einen ganzen Heller gewonnen. Doch er hatte genauso verloren, wie der Spieler. Denn er gehörte zu den Gaunern. »Meinen Glückwunsch.« Langsam, als könne er sich nur sehr schwer von den Münzen trennen, zählte er acht ganze Heller aus seinem Beutel und legte einen nach dem anderen auf den Tisch. »Noch eine Runde?«, doch Adraéyu winkte ab. »Wollt ihr mir nicht die Gelegenheit geben, mein Geld zurück zu gewinnen?« Adraéyu sah den Mann eindringlich an, und zog kurz darauf seine Kapuze ein wenig tiefer ins Gesicht. »Heute nicht.« Dann nahm er Rahela bei der Hand und drückte sich aus der Menge. »Wir müssen aufpassen. Sie werden uns vielleicht nachstellen um uns zu berauben. Halte die Augen offen.«, raunte er ihr zu, während er sich mit ihr zügig durch die Menge drückte. Es war vielleicht leichtsinnig gewesen das Geld aufs Spiel zu setzen, und noch leichtsinniger den Zorn der Gauner auf sich zu ziehen. Aber er hatte eine ganze Goldmünze von Straßengaunern ergaunert. Er hatte kein Mitleid mit ihnen.